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CAQ-Software in der Produktentstehung

Mann bedient Maschine zum Aufwickeln von Kupferdraht

Vom Gedanken über die Idee bis zum Produkt: Der Markteintritt eines neuen Produkts ist nicht nur spannend, sondern vor allem eine Abfolge verschiedenster Tests und Analysen. Bevor eine Idee tatsächlich in Serienproduktion geht, muss diese ausgiebigen Prüfungen standhalten. Um sich letztlich am Markt wiederzufinden und auf dem Höhepunkt des Produktlebenszyklus einen vollen Erfolg zu landen, muss sich das Produkt bewähren – und das von Beginn an. Nicht auszudenken, wenn das Produkt eine Rückrufaktion oder gar Schäden verursacht. Deshalb ist die Qualitätssicherung essenzieller Bestandteil jedes Produktionsprozesses. Unterstützung erhalten Kunden und auch Lieferanten von ausgeklügelten CAQ-Systemen, die sich mit jedem einzelnen Schritt in der Produktentstehung beschäftigt. Welche verschiedenen Phasen ein Produkt durchläuft und welche Unterstützung CAQ-Software dabei leisten kann, erfahren Sie im nachfolgenden Blogartikel.

1. Phase: Anforderungsmanagement und Herstellbarkeitsanalyse

Die erste Phase des Produktentstehungsprozess beginnt gewöhnlich mit einer Idee. Mitunter hat der Auftraggeber (Kunde) noch keine detaillierte Spezifikation von dem Bauteil, das er produzieren lassen möchte. In dieser Phase muss der Lieferant vorher abschätzen, ob diese Idee mitsamt den Anforderungen an das Bauteil realisierbar ist. Auch dann, wenn der Auftraggeber noch keine konkrete Vorstellung des Bauteils hat, erarbeitet er ein Lastenheft, in dem beschrieben ist, wie das neue Produkt aussehen, welche Eigenschaften es haben und welche Aufgaben es erfüllen soll. Im Lastenheft sind alle Spezifikationen enthalten. Mitunter erhält der Lieferant vom Kunden statt eines Lastenheftes bereits eine Konstruktionszeichnung mit den Spezifikationen. Lastenheft oder Zeichnung dienen als Grundlage für die Herstellbarkeitsanalyse. Für diese Herstellbarkeitsanalyse kann geeignete CAQ-Software unterstützend herangezogen werden. Achten Sie darauf, dass die Herstellbarkeitsanalyse mit eigenen Parametern durchgeführt werden kann. Nur so können Sie individuelle Gegebenheiten berücksichtigen und eine bestmögliche Bewertung durchführen.

2. Phase: Terminplanung und technische Zeichnung

Die Planungsphase als solche wird von vielen Unternehmen als noch nicht qualitätsrelevant eingestuft. An dieser Stelle kann allerdings der erste Schritt zur Qualitätssicherung unternommen werden: Um den „Start of Production“ (SOP) realistisch einschätzen und diesen wichtigen Termin später auch halten zu können, sollte der Kunde von seinem Lieferanten bereits zu diesem frühen Projektzeitpunkt einen Zeitplan mit kompletter Produktentwicklung einfordern. Hierbei hilft dem Lieferanten CAQ-Software zur Qualitätsvorausplanung (APQP). Auf diese Weise kann das Projekt sinnvoll angelegt und vorausschauend geplant und terminiert werden. Idealerweise ist die Software flexibel und kann den sich ständig ändernden Produktionsbedingungen und Terminverschiebungen angepasst werden. Achten sie zusätzlich darauf, dass Änderungen versioniert werden, sodass die Historie (auch bezogen auf jedes einzelne Merkmal und jedes eingesetzte CAQ-Software-Modul) immer überschaubar und nachvollziehbar bleibt.

Häufig liefert der Kunde Technische Zeichnungen als CAD-Daten, auf denen relevante Spezifikationen (Merkmale/Anforderungen) des Produkts abgebildet sind. In der Automotive-Industrie beispielsweise werden rund 80 Prozent der relevanten Informationen zwischen Lieferant und Kunde so kommuniziert. Entsprechende Software-Module erleichtern oder übernehmen das automatische und direkte Einlesen sowie Stempeln der Zeichnung – das spart Zeit und vermeidet Eingabefehler. Eine geeignete CAQ-Software kann Zeichnungen unabhängig vom verwendeten CAD-System einlesen. Das automatisiere Einlesen und Stempeln auch von pdf- und tif-Dateien – zum Beispiel eine Zeichnung oder auch das Lastenheft – unterstützen einige wenige Softwareanbieter mittels OCR-Funktion. Ein optimales Software-Modul beinhaltet eine Liste aller Merkmale (inklusive der kompletten Historie im weiteren Produktionszyklus) und stellt den Bezug zur Technischen Zeichnung her, die damit im Zentrum des gesamten CAQ-Systems steht.

3. Phase: Produkt-Design, Risikobewertung und Entwicklung

Ist das Projekt angelegt und der Zeitplan erstellt, prüft der Lieferant in einem ersten Schritt, ob das Produkt so, wie es in der Technischen Zeichnung angelegt ist, überhaupt hergestellt werden kann: Können die Vorgaben im Herstellungsprozess eingehalten werden? Welche Merkmale bergen welche Risiken? Kann das Teil auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll produziert werden?

Erhält der Lieferant statt einer Zeichnung das Lastenheft, entwickelt er aus dessen Vorgaben das Produkt-Design. Häufig fordert der Kunde bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine Auflistung aller möglichen (also hypothetischen) Fehler, die das Produkt aufweisen kann, sowie eine Analyse der Fehlerursachen. Das erzeugt zusätzlichen Leistungsdruck: Für jeden hypothetischen Fehler muss eine Ursachenkette erstellt werden, die bis zur finalen Fehlerursache zurückführt – als Fehler gilt dabei jegliche Abweichung von einer Spezifikation. Geeignete CAQ-Software kann den Lieferanten bei dieser „Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse“ (FMEA) unterstützen. Dabei wird jedes Merkmal daraufhin untersucht, welcher Fehler auftreten könnte. Anschließend wird für jeden Fehler eine Risikobewertung durchgeführt: Dabei gibt der Kunde in einem ersten Schritt an, welche Fehler besonders schwer wiegen, also auf keinen Fall auftreten dürfen. Nachfolgend wird für jeden dieser schwerwiegenden (hypothetischen) Fehler eine Aufgabenpriorität (AP) ermittelt, die berücksichtigt, wie häufig der Fehler auftritt (Auftretenswahrscheinlichkeit) und wie gut dieser Fehler durch Prüfungen entdeckt werden kann (Entdeckungswahrscheinlichkeit) und die Bedeutung des Fehlers. Je mehr Erfahrungen aus früheren Produktionsprozessen an dieser Stelle mit in die Risikobewertung einfließen, desto objektiver und damit realistischer kann beurteilt werden, ob ein Risiko beherrschbar und die Produktion wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.

4. Phase: Prozessplanung und integrierte Prüfmittelverwaltung

Zu diesem Zeitpunkt ist die Betrachtung des Produkt-Designs mit Hilfe der FMEA abgeschlossen und es ist davon auszugehen, dass die Herstellbarkeit nach Auswertung der Herstellbarkeitsanalyse und Risikobewertung als wirtschaftlich sinnvoll bewertet wurde. Die Entscheidung zur Produktion ist damit getroffen. In der vorausgegangenen Phase wurden mit der FMEA bereits sämtliche potenzielle Abweichungen vom geforderten Produkt-Design erfasst – nun müssen noch die potenziellen Fehler, die bei der Fertigung auftreten können, betrachtet werden. Dazu wird der eigentliche Herstellungsprozess (Fertigungsplan) analysiert: Welche Abweichungen von der Spezifikation (= Fehler) können im Herstellungsprozess auftreten? Wo können die Fehler auftreten? Können diese Fehler vermieden werden? Müssen Prüfungen durchgeführt werden, mit denen die fehlerhaften Teile herausgefiltert werden? Oder sind die Fehler vernachlässigbar?

Gut entwickelte Software spielt an dieser Stelle ihren Trumpf aus: Fehler sollten idealerweise nicht nur vermieden, sondern einer geplanten Maßnahme zugeordnet werden. FMEA und Produktionslenkungsplan/Prüfplan blicken auf diese Weise mit unterschiedlicher Fragestellung auf den identischen Sachverhalt und bilden dadurch eine strukturelle Einheit: Der Produktionslenkungsplan fragt nach dem „Was“ („Was wird geprüft?“), der Prüfplan nach dem „Wann“ und „Wie“ („Wann wird wie geprüft?“) und die FMEA fragt nach dem „Warum“ („Warum wird geprüft?“). So wird beispielsweise über Entdeckungsmaßnahmen definiert, welche Maßnahmen benötigt werden, um fehlerhafte Teile aufzuspüren. Durch das Zusammenspiel von FMEA und Prüfplan wird aus den Entdeckungsmaßnahmen der FMEA eine Prüfung im Prüfplan generiert.

Sinnvoll ist an dieser Stelle auch die Anbindung der Prüfmittelverwaltung im Rahmen der Prozessplanung – denn eine Prüfung macht nur dann Sinn, wenn das richtige Prüfmittel eingesetzt wird. Der Nachweis dazu sollte über die Messgerätefähigkeit geführt werden. Dazu wird in der zugehörigen Software hinterlegt, welche Prüfmittel für welche Prüfungen sinnvoll und zugelassen sind. Einige Softwareanbieter decken auch die Überwachung der Kalibrierungszyklen ab.

5. Phase: Unterstützung von Vorserie und Vorbereitung des Serienanlaufs

Die Planungs- und Entwicklungsphase ist nun abgeschlossen. Doch bevor das Bauteil in Serienproduktion gehen kann, fordert der Kunde vom Lieferanten einen so genannten Erstmusterprüfbericht. Hierfür werden in einer Vorserie unter realen Produktionsbedingungen die geplanten Bauteile in geringer Stückzahl produziert. Anschließend werden sämtliche Merkmale von allen vorproduzierten Bauteilen vermessen. Dabei wird geprüft, ob die Istwerte im vorgegebenen Toleranzbereich liegen. Mit entsprechender CAQ-Software werden die Messergebnisse und Abweichungen statistisch ausgewertet. Damit kann schon vor Serienproduktion die Maschinenfähigkeit (wie zuverlässig arbeitet die Maschine) beurteilt und somit die Serienreife zu diesem frühen Zeitpunkt sichergestellt werden. Neben dem Erstmusterprüfbericht stellt der Lieferant dem Kunden auch eines der vorproduzierten Bauteile zur Begutachtung zur Verfügung.

Zusätzlich zum Erstmusterprüfbericht kann der Kunde beim Lieferanten auch ein Audit durchführen. Dabei besucht dieser die Fabrikhalle des Lieferanten, begutachtet vor Ort die Prozesse und gleicht diese mit den vereinbarten Soll-Prozessen ab. Werden Abweichungen festgestellt, müssen auf Lieferantenseite Maßnahmen ergriffen werden, um diese zu beseitigen. Letztlich dienen beide Maßnahmen dazu, dem Kunden die Gewissheit zu geben, dass der Lieferant die Serienproduktion sicherstellen und dauerhaft gute Teile liefern kann.

Produktentstehungsprozess
Einbindung der CAQ-Module in den Produktentsehungsprozess

6. Phase: Unterstützung der Produktion und Serienfertigung

Mit dem „Start of Production“ (SOP) endet die Aufgabe der klassischen FMEA. Es wurde versucht, bereits im Vorfeld möglichst viele potenzielle Fehler zu vermeiden. Jetzt wandert die FMEA in den meisten Fällen und Betrieben in die Ablage und wird nicht mehr gebraucht. Einige CAQ-Softwarehersteller verstehen es jedoch, auch den weiteren Produktionsprozess zu begleiten. Gemachte Annahmen und Voraussagen können mit der Realität abgeglichen werden, das in der FMEA gespeicherte Wissen kommt dem weiteren Produktionsprozess und neuen Projekten zugute.

Jetzt kommen wir in die Phase, in der die Serienproduktion anläuft. Um in der Produktionsphase die Qualität sicherzustellen, werden zu drei Zeitpunkten Prüfungen durchgeführt: Beim Wareneingang, während des Herstellungsprozesses und beim Warenausgang:

Wareneingangsprüfung

Die Wareneingangsprüfung muss sicherstellen, dass die Teile, die angeliefert werden, fehlerfrei sind. Von der Zuverlässigkeit des Lieferanten – also von der Historie seiner Prüfergebnisse – hängt ab, wie häufig Lieferungen geprüft werden müssen und wie groß der Stichprobenumfang sein muss.

Statistische Prozesslenkung

Die Statistische Prozesslenkung oder kurz SPC nutzt statistische Verfahren, um sicherzustellen, dass die geplanten Prozessergebnisse erreicht und die Kundenanforderungen erfüllt werden. Ein Kerninstrument ist die Qualitätsregelkarte (QRK), in der Stichprobenkennwerte dargestellt und mit Grenzwerten (sog. Eingriffsgrenzen) verglichen werden. Hierzu werden der laufenden Fertigung in möglichst gleichen Zeitabständen Stichproben entnommen und das in der QRK darzustellende Merkmal geprüft. Läuft der Prozess „aus dem Ruder“ – überschreitet also die Eingriffsgrenzen – kann rechtzeitig korrigiert werden, bevor die Toleranzgrenze verletzt und fehlerhafte Teile produziert werden.

Ein Maß für die Fähigkeit eines Prozesses, Merkmalswerte in gleichbleibender Qualität innerhalb der vorgegebenen Toleranzgrenzen erzeugen zu können, ist der minimale Fähigkeitsindex Cpk. Je größer der Cpk-Wert, desto geringer streut der Prozess und desto mehr „Luft“ besteht zur Toleranzgrenze. Die Wahrscheinlichkeit, fehlerhafte Teile zu fertigen nimmt somit ab.

Warenausgangsprüfung

Die Warenausgangsprüfung muss sicherstellen, dass die fertigen Teile, die ausgeliefert werden, fehlerfrei sind.

Wird ein Fehler – also eine Abweichung von der Spezifikation – entdeckt, wird dieser als Reklamation in der CAQ-Software analog zu der in der Industrie üblichen 8D-Methode abgewickelt. Bei einigen Softwareanbietern wird bei der Fehleranalyse eine Fehlerkette erstellt. Daraus folgt idealerweise die Definition einer Maßnahme und gegebenenfalls die Erteilung einer Sonderfreigabe, die es erlaubt, das von der Spezifikation abweichende Teil weiter zu verwenden, damit die Produktion nicht stillsteht – was enorme Kosten verursachen würde.

7. Phase: Feedback und Abweichungsmanagement

Wenn ein Fehler entdeckt wird, ist die entscheidende Frage: Was ist schiefgelaufen? Warum ist der Fehler passiert? Und: Wie kann die gewonnene Erkenntnis so gespeichert werden, dass sie später bei Bedarf allen zur Verfügung steht?
Über die Ursachenkette wird eine finale Ursache detektiert und daraus eine Maßnahme ergriffen. Normalerweise spielt sich diese Analyse nur im Kopf des Werkers ab – das ist nicht falsch, aber das Wissen ist damit an eine Person gebunden. In der modernen CAQ-Software hingegen wird die Ursachenkette Schritt für Schritt festgeschrieben und kann auch später stets nachverfolgt werden. Das Wissen ist damit in der Software gespeichert, die Kausalitätskette kann auch später von jedem Mitarbeiter nachvollzogen werden.

Möchte man einen Fehler zukünftig vermeiden, muss daraus eine vermeidende Maßnahme abgeleitet werden. Dies kann zum Beispiel durch eine Prozessänderung geschehen. Ist eine Vermeidung nicht möglich, muss man in Zukunft die fehlerhaften Teile effizienter entdecken und aus dem Herstellungsprozess eliminieren. Dazu ist eine entdeckende Maßnahme erforderlich, die sich dann letztlich im Produktionslenkungsplan und Prüfplan wiederfindet. Auch an dieser Stelle spielen besonders ausgefeilte CAQ-Software ihren Trumpf aus: Zu jedem Fehler, der als Reklamation erfasst wird, müssen eine Fehlerkette mit finaler Ursache und eine Maßnahme definiert werden, die analog auch in der FMEA gespeichert sind. Die enge Verzahnung zwischen FMEA und Reklamationsmanagement sorgt dafür, dass der Planer über den Fehler informiert wird und die entsprechende FMEA dahingehend aktualisiert. Diese parallele Arbeitsweise wird möglich, wenn Reklamationsmanagement und FMEA nach dem gleichen Prinzip "(hypothetischer oder realer) Fehler, Fehlerursachenkette, finale Fehlerursache, Maßnahme" arbeiten.

Wird ein Fehler entdeckt, gibt es zwei Möglichkeiten: Der Fehler mit dieser Ursachenkette und dieser finalen Ursache ist schon einmal aufgetreten oder wurde bereits als hypothetischer Fehler in der FMEA berücksichtigt. Ist dieser Fehler schon einmal aufgetreten, handelt es sich dann um einen Wiederholfehler. Also hat die Maßnahme, die dem Fehler zugeordnet ist, nicht gegriffen und muss korrigiert werden. Es ist aber auch möglich, dass die Auftretenswahrscheinlichkeit in der FMEA falsch berechnet wurde: Dann wird diese aktualisiert und eine Maßnahme im Produktionslenkungsplan und Prüfplan neu definiert. Ist der Fehler noch nicht aufgetreten, wurde er noch nicht in der FMEA und somit auch noch nicht im Produktionslenkungsplan und Prüfplan berücksichtigt. Er muss in der FMEA neu erfasst werden und sollte idealerweise damit automatisch auch in den Produktionslenkungsplan und Prüfplan mit eingebunden werden.

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